Samstag, 10. September 2011

Flohmarkt

Ich fahre hoch und schaue auf die Uhr. 10:40 Uhr. Oh nein, oh nein, ich habe verschlafen. Springe aus dem Bett, ab ins Bad. Der Kopf hämmert, ich bin zu spät, Mist, wie erkläre ich das nur auf der Arbeit!? Absoluter Stress, der Blick in den Spiegel offeriert eine verzweifelte, müde Person, tiefe Augenringe, ungesunde helle Hautfarbe, Knitter und Falten. Die Nacht war nicht erholsam, hatte mich wieder nur herumgewältzt und keine Ruhe finden können. Genau so sehe ich aus. Inge immer guter Dinge, trotz der tiefen Augenringe. Den Spruch habe ich mal irgendwo auf einer Feier gehört, wann weiß ich nicht mehr, aber in letzter Zeit trifft er mehr und mehr zu. Weine ich, oder Tränen mir nur die Augen? Keine Ahnung, bestimmt nur die Müdigkeit. Ich schiebe den Gedanken fort. 

Die Katzen fliehen vor mir, können dieses hektische Treiben nicht verstehen und haben schlicht und ergreifend Kohldampf. Ich stolpere über Dinge, die ich irgendwo liegen ließ und mir nun im Wege stehen. Schnell die Dose auf, den Katzen über den Kopf streicheln, ich denke bis heute Abend ihr Süßen und mein schlechtes Gewissen plagt mich. Ich sehe in die Augen meiner Katzen, sehe einen irritierten, traurigen Blick und glaube herauszulesen: "Wer bist du, wo ist unser Frauchen, dich mögen wir nicht". Ich muss auch diese Gedanken wegschieben, habe ich jetzt keine Zeit für. Jacke, Tasche, Schlüssel, wo sind die Schlüssel verdammt noch mal! Stress pur.



Ab zum Auto, Knöllchen dran, ich hasse es! Warum ist hier eigentlich alles zugeparkt? Das Rauschen in den Ohren macht mich kirre, ich höre kaum etwas, außer meinem Puls... In Gedanken überlege ich mir, was ich sage, wenn ich zur Arbeit komme. Noch mehr Stress und bei dem Gedanken wird das Rauschen lauter...

Endlich zwirbele ich mein Auto aus der Parklücke, es gibt Menschen die hoffentlich besser mit ihrem Leben klar kommen, als sie einparken! Einige Fußgänger schauen mir zu, was mich absolut aggressiv macht. Haben die sonst nichts zu tun?

Wird's denn gehen, was schleichen die denn heute alle so! So ein Leben möchte ich auch mal haben. Arbeitet in diesem Land noch wer, was machen die alle hier und warum haben die alle die Ruhe weg!? Ich denke ganz ruhig Brauner, das ist nur eine Phase, das geht wieder vorbei..

Haben wir auch ein Gaspedal da vorne? Gott gib mir Kraft, ich bin ruhig, ich bin ruhig...

Na toll, jetzt auch noch ne Fußgängerampel. Eine lachende Familie läuft im gefühlten Schneckentempo  auf die andere Straßenseite. Mama zieht den Bollerwagen hinter sich her. Papa trägt ein Mädchen auf den Schultern. Ein Teddy schaut über den Rand des Bollerwagens und ein kleiner Junge spielt damit. Ich denke, wenn der jetzt rausfällt und es Grün wird, muss ich auch noch warten und ich bin jetzt schon endlos zu spät. Ich merke wie ich bei dem Gedanken die Lippen zusammenpresse, die Zähne aufeinander reiben und meine Hände sich fester um das Lenkrad schließen. Es ist 11:20 Uhr. Mir kommt es vor, als wäre ich seit Wochen unterwegs.

Oh nee, setzt dieser Trottel erst jetzt den Blinker und will hier Links abbiegen! Ich sitze ganz ruhig im Wagen, starre geradeaus, aber innerlich, innerlich ticke ich gleich aus.

Was für ein Montag. Allmächtiger! Ich tröste mich damit, dass die Woche ja nur noch aufwärts gehen kann und summe leise I wish I was a Punkrocker, with flowers in my hair... Meine Antwort auf Stress, wenn nichts mehr geht; Humor und Liedchen Summen.

Der Trottel biegt endlich ab und schwupps ist es schon wieder Rot an der Fußgänger Ampel. Lachen hilft! Dann warten wir halt nochmal, hey wir haben ja massig Zeit, ist ja erst halb zwölf und wenn ich nicht bald einen Kaffee bekomme, passiert hier ein Unglück...

Ich beobachte die entspannten Menschen und frage mich, welcher Vollidiot eigentlich erlaubt, hat, das an einem Montag auf dem Supermarkt Parkplatz ein Flohmarkt stattfindet! Die haben doch echt alle einen an der Waffel.

Wird's hier heute nochmal Grün!? Fenster runter, ich rauche mir jetzt erst mal eine... Auf dem Bürgersteig läuft ein älteres Paar in meine Richtung. Super Schnäppchen gemacht: ich sehe ein paar Bücher, einen alten Stuhl. Die Frau drückt dem Mann die Sachen in die Arme und geht Richtung Café, Bäckerei, Kiosk sowas in der Art.

Durch das geöffnete Fenster höre ich: "Susanne, bring mir von da vorne noch Zigaretten und die Sonntagszeitung mit.. Ich pack' schon mal ein."

Genau, Harry hol' schon mal den Wagen. Es wird Grün, na endlich! Ich gebe Vollgas und fahre los. Halleluja, Richtung Ortsausgang wird es endlich leerer. Kaum noch Autos auf der Straße. Vereinzelt Menschen, die irgendwelches Zeug schleppen. Tanken müsste ich auch noch, mache ich nach Feierabend. Habe ich jetzt keine Zeit mehr für.

Ich sehe den Mann noch einmal vor meinem geistigen Auge und höre ihn ganz laut Sonntagszeitung sagen. Als ob es Montag Mittag noch ne Sonntagszeitung gäbe! Lächerlich!
Ich brause Richtung Autobahn. Es ist 11 Uhr 40. Dann macht es Klick im Kopf...  


Die Autotür ist jetzt geöffnet. Der Tankstellen Kaffee schmeckt gar nicht so schlecht. Ich sitze halb im Auto, halb draußen und rauche. Der Stress ist weg, ich kann wieder hören. Kinder kichern, Eltern schimpfen, Paare diskutieren darüber wo das Gerümpel jetzt noch hin soll und ich denke nur, dass sich mein Leben dringend ändern muss. 

Ich scheine noch nicht mal mehr mitzubekommen, wann Sonntag ist...

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