Sonntag, 11. Dezember 2011

Das geht jetzt noch 12 Jahre so...

Eine Kundin hatte mir ihren Tagesablauf geschildert.

(anonym) Der Tag beginnt jeden Tag um 06:30 Uhr. Aufstehen, Kaffee und Kakao machen, Pausenbrote schmieren, Kinder wecken und anziehen, gemeinsames kurzes Frühstück, Papa sagt schnell tschüss und ab auf die Autobahn, Kinder zur Schule bringen, Halbtagsjob beginnt um 08:30 Uhr und endet um 12:30 Uhr, nach Hause fahren, ggf. schnell noch vorher einkaufen, eine Zigarette rauchen, Waschmaschine füllen und anstellen, kochen, aufgekratzte Kinder kommen nach Hause, essen, mit den Kindern Hausaufgaben machen, Wäsche aufhängen, putzen, der Junge muss um 15:30 Uhr beim Fußball sein, was gibt’s denn heute Abend zu essen, 17:00 Uhr muss der Junge wieder abgeholt werden, nerviger Feierabendverkehr, Abendessen kochen, Papa kommt nach Hause und ist geschafft, alle haben Hunger, gemeinsames Essen und Austausch über den Tag, Hausaufgaben kontrollieren und Schultaschen packen, Kinder spielen noch ein wenig, Geschirr spülen, kurzer Austausch mit dem Ehemann, was steht an, wie war der Tag, Kinder gehen um 20:30 Uhr ins Bett, noch schnell für morgen was Bügeln und Legosteine zur Seite räumen, um 21:00 Uhr auf die Couch setzen, ein Glas Wein trinken und in Ruhe eine rauchen. 

Der Satz, der mich sprachlos machte, lautete: „Wissen Sie, bis ich mal ein paar Minuten für mich habe, ist es 21 Uhr und da habe ich ja noch nichts geleistet!“ 

Man muss schon was bieten, bis ich sprachlos bin, aber sie hat es echt geschafft. Bis dahin war sie absolut gefasst und sachlich. Ich übrigens auch. „…das geht jetzt noch 12 Jahre so, dann sind die Kinder aus der Schule und groß, dann beginnt mein Leben. Das sagte sie in einer Leidenschaftslosigkeit, als würde sie ein Waschprogramm erläutern. Wobei ein kleiner Lichtblick in den Augen zu sehen war, als sie scheinbar kurz an das Leben dachte, dass dann beginnen würde. Für einen klitzekleinen Moment entspannten sich sehnsüchtig ihre Gesichtszüge, nur um ein paar Sekunden später wieder in die Funktionalität zurück zu verfallen. 

Das Leben sei halt so, die Kinder wären da, sie müsse noch arbeiten da das Geld nicht reiche, ihr Mann wäre beruflich auch den ganzen Tag unterwegs und für „Krank machen und Gefühlsduseleien“ hätte sie echt keine Zeit. 

Ich fragte sie: „Was denken Sie wenn Sie abends auf dem Sofa sitzen und wie kommt es, dass Sie bei dieser Tagesbeschreibung annehmen, Sie hätten nichts geleistet? Wie kommt es, dass Sie Ihre eigene Arbeit so wenig wertschätzen?“ 

Schweigen und ein paar Tränen, die nicht mehr kontrolliert werden konnten, folgten. Ein Schulterzucken dass die nächsten 12 Jahre alleine schon durch die Rahmenbedingungen nicht veränderbar seien; sie müsse da wohl durch. Nun, wir können die Rahmenbedingungen nicht ändern, aber den Umgang damit, die Wahrnehmung und Wertschätzung dessen schon.

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